10 Jahre digitales Thoraxdrainage-System: Rückblick auf ein Erfolgskonzept

Seit über einem Jahrzehnt setzen die Thoraxdrainage-Systeme von Medela international anerkannte Standards in vielen Fachgebieten der Chirurgie. Doch wie kam es eigentlich zu der heute so ausgereiften Technik? Wir blicken zurück mit Dr. med. Thomas Kiefer, erfahrener Thoraxchirurg und wichtiger Wegbegleiter in der Entwicklung unserer Produkte.

Wie alles begann: die Medela Vario als Vorreiter für spätere Thoraxdrainage-Systeme

Eine Thoraxdrainage dient dazu, mithilfe einer speziellen Pumpe Luft, Blut oder andere Flüssigkeiten aus dem Brustkorb (genauer gesagt dem Pleuraspalt) zu saugen und kann dadurch einen drohenden Kollaps der Lunge verhindern. Vor allem nach Unfällen, großen Operationen oder schweren Krankheiten im Brustraum ist eine Thoraxdrainage, unterstützt durch leistungsfähige Medizinprodukte unerlässlich. Medela ist seit über zehn Jahren führend auf dem Gebiet der Thoraxdrainage-Systeme - doch wie fing eigentlich alles an? Im Interview mit Herrn Dr. Kiefer blicken wir zurück auf die Ursprünge von Thopaz, Santhora und Co.

Herr Dr. Kiefer, Sie arbeiten seit 1999 mit den Medela-Produkten. Warum haben Sie sich damals für Medela entschieden?

Die Vario von Medela war damals die einzige medizinische Absaugpumpe mit Akku, die die erforderliche Leistung besaß, um für Thoraxdrainagen eingesetzt zu werden. Ich wollte meine Patienten so früh wie möglich mobilisieren und nicht mit einem Dauersog-Wandanschluss wie einen Kettenhund ans Bett fesseln.

Da Medela zu diesem Zeitpunkt noch keine eigenen Systeme für Thoraxdrainagen herstellte, musste ich improvisieren. Also habe ich den Einmalbehälter, den ich bereits kannte, mit der Vario verbunden und das Ganze an dem damals erhältlichen Fahrgestell von Medela befestigt. Wurde ein Zwei-Kammer-System benötigt, haben wir zusätzlich noch einen Behälter aus dem Absaugprogramm von Medela dazwischen geschaltet.

Der Startschuss fällt: Medela beginnt mit der Entwicklung des ersten Thoraxdrainage-Systems

Wie kam es dann zur Entwicklung von Thoraxdrainage-Systemen mit Medela?

Kaum hatte ich die Varios bestellt, bekam ich Besuch vom damaligen Forschungs- und Entwicklungschef bei Medela und einem Entwicklungsingenieur. Die wollten wissen, was ein Thoraxchirurg mit der Vario macht. So kam es zum Erstkontakt zwischen den Medela Experten und dem Gebiet der Herz-Thorax-Chirurgie.

„Die Idee war: Ein System aus einer Hand, bei dem alles von der Pumpe über die Schläuche bis hin zu den einzelnen Konnektionen zusammenpasst. Das gab es nämlich Anfang der 2000er-Jahre noch nicht – kaum zu glauben!“

Es hat dann aber noch mal fast zwei Jahre gedauert, bis ich Medela überzeugen konnte, auf dem Gebiet der Thoraxdrainage-Systeme tätig zu werden. Doch aufgrund ihrer bereits vorhandenen Expertise in der Absaugtechnik und ihrem hohen Interesse an der Technologie von Thoraxdrainagen, sah ich schnell das Potenzial, das die Mitarbeitenden von Medela hier beisteuern konnten und blieb hartnäckig.

Das erste koppelbare System für die Herz-Thorax-Chirurgie entsteht

Sie wollten damals ein wiederverwendbares System für Thoraxdrainagen entwickeln. Warum wurde dann trotzdem ein Einmalprodukt daraus?

Ich wollte ein wiederverwendbares System entwickeln, weil ich der etwas naiven Meinung war, dass wir auch in der Medizin den (Plastik-)Müll so gering wie möglich halten sollten. Doch obwohl dieses System für Throaxdrainagen gut funktioniert hat, wollte der größte Teil der Welt schon damals lieber auf Einwegprodukte setzen.

Vor allem neue Entwicklungen in Sachen Hygiene, aber auch die rasant steigenden Kosten für die Wiederaufbereitung und Sterilisation von medizinischen Geräten machten es letztendlich erforderlich, stattdessen ein Einmalprodukt zu entwickeln. So entstand dann Santhora: ein Einmalbehälter als Zwei-Kammer-System, der einfach mit der Vario zu koppeln war.

Das Santhora-System von Medela: Die Mobilitätsrevolution für Thoraxdrainage Patienten

Wie gelang es Ihnen, das Santhora-System mobil zu machen? 

Dafür haben wir einen ganz tollen Trolley entwickelt, an dem man neben der Vario auch Infusionen, Spritzenpumpen und die PCA-Pumpe befestigen konnte: Der Trolley hatte auf der Rückseite nämlich eine Steckdosenleiste, in der die Geräte einfach eingesteckt wurden. Sollte der Patient mobilisiert werden, musste nur der Stecker gezogen werden, der den Trolley mit Strom versorgte. Die Pumpe lief dann über einen integrierten Akku weiter.

„Santhora war ein Erfolg. Als das System auslief und schließlich durch Thopaz ersetzt wurde, waren viele Kollegen in der Herz-Thorax-Chrirurgie zunächst sehr unglücklich“

Das war die Zeit, in der noch alle größeren thoraxchirurgischen Eingriffe via Thorakotomie erfolgten, was zur Folge hatte, dass viele Patienten post-operativ auf die Intensivstation kamen und entsprechend verkabelt werden mussten. Die Idee hinter unserem Thoraxdrainage-System war es letztendlich, dem Pflegepersonal auf der ITS die Mobilisation der Patienten so einfach wie möglich zu machen.

Thoraxdrainagen im digitalen Zeitalter: Ein neues System muss her!

Wenn Santhora so beliebt war, wieso kam es dann zur Entwicklung des neuen Thopaz-Systems?

Irgendwann war klar, dass die Digitalisierung und Miniaturisierung auch in den Krankenhäusern Einzug halten würde. Deshalb haben wir uns an die Arbeit für ein komplett überarbeitetes Thoraxdrainage-System gemacht. Alles war völliges Neuland, insbesondere die Erstellung der Alarmsoftware: Wo müssen hier die Grenzen gesetzt werden, welche Werte sollen noch als normal gelten, ab welchen Abweichungen pro Zeiteinheit muss ein Alarm ausgelöst werden und wie sind die Zahlen zu interpretieren, die das System liefert? Alles Neuland!

Wir haben zunächst gemeinsam mit den Ingenieuren von Medela ein sogenanntes Pflichtenheft entwickelt, um festzulegen, welche Funktionen das neue digitale Thoraxdrainage-System erfüllen muss. Anschließend wurden die Hardwarekomponenten produziert und die Software entwickelt. Die ersten beiden Prototypen habe ich dann bei mir in der Klinik erprobt.

Das war eine harte Zeit, denn technische Probleme tauchten fast immer nachts auf. Morgens habe ich dann die Daten des Systems ausgelesen und per Mail an Medela geschickt, wo die entsprechenden Software-Anpassungen sofort vorgenommen wurden. Letztendlich dauerte es ungefähr sechs Monate bis wir auf diese Weise das neue Thoraxdrainage-System zur Marktreife entwickelt hatten.

Entwicklung des Thoraxdrainage-Systems Thopaz

Thopaz & Thopaz+: die modernen Thoraxdrainage-Systeme als digitale Helfer im Klinikalltag

War die Umstellung auf das neue Thopaz-System für die Kliniken einfach? 

Kommt drauf an - beim Pflegepersonal benötigen Sie in der Regel nicht mehr als 5 Minuten, bis die Vorteile des digitalen Thoraxdrainage-Systems überzeugen: Einfach zusammen zu bauen, kein Wasser erforderlich, zuverlässige Alarme, die die Arbeit erleichtern und sicherer machen und so weiter. Meine Kollegen in der Herz-Thorax-Chirurgie hatten da oft größere Probleme bei der Umstellung von Luftblasen auf objektive Daten. Für manche war das neue System ein regelrechter Kulturschock!

Thopaz+ stellt nochmals einen deutlichen Fortschritt im Bereich der Thoraxdrainage-Systeme dar. Insbesondere die Flüssigkeitsmessung ist hier bei einigen Indikationen eine große Hilfe.

Inzwischen ist das Thopaz- bzw. Thopaz+-System von Medela vor allem im deutschsprachigen Raum in den Fachkliniken und –abteilungen nahezu flächendeckend etabliert. Aber auch in vielen europäischen und außereuropäischen Ländern wird das digitale System für Thoraxdrainagen im großen Stil eingesetzt.

Die mit Thopaz und Thopaz+ gewonnenen Daten haben enorm zu einem besseren Verständnis beigetragen, was im Thorax bzw. im Pleuraspalt vor sich geht. Und sie haben auch geholfen, die Drainagezeiten zu verkürzen – bei gleicher oder sogar größerer Sicherheit und Effizienz der Behandlung. Es gibt mittlerweile sehr viel wissenschaftliche Literatur – übrigens auch aus dem Bereich der Pflege - die übereinstimmend zeigt, dass mit dem neuen System die Lebensqualität von Patienten verbessert wird und ihre Mobilität steigt. Auch die Möglichkeit, den Therapieverlauf gemeinsam im Team objektiv beurteilen zu können, ist ebenfalls ein Vorteil des neuen Thoraxdrainage-Systems.

Wir bei Medela arbeiten weiter daran, unsere digitalen Thoraxdrainage-Systeme kontinuierlich zu verbessern und hoffen, dass wir damit auch in Zukunft noch vielen weiteren Patienten, Pflegern und Ärzten den Klinikalltag erleichtern werden!

Zur Person:

Dr. med. Thomas Kiefer

  • Chefarzt, Facharzt für Allgemeine Chirurgie, Facharzt für Thoraxchirurgie
  • 1999 bis 2008 Aufbau der Thoraxchirurgie und eines interdisziplinären Organzentrums am Klinikum Offenburg
  • seit 01.11.2008 Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie im Lungenzentrum Bodensee am Klinikum Konstanz

 

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